FP: Herr Kersting, herzlich willkommen im neuen Aufgabenbereich beim BDB.NRW. Seit Mitte April sind Sie nun für uns im Einsatz und konnten sich einen ersten Überblick über unsere Themen verschaffen. Zudem sind Sie ja aber auch vom Fach: Was sind die Herzensangelegenheiten, die Sie als Landesgeschäftsführer des BDB.NRW vorantreiben möchten?
MK: Angesichts der fortschreitenden Klimakrise gibt es für Architekten und Ingenieure viele gesellschaftsrelevante Aufgaben. Der BDB ist sich einig im Ziel, möglichst schnell Klimaneutralität im Bausektor zu erreichen, für eine erfolgreiche Bauwende müssen wir jedoch noch viel stärker und schneller in die Umsetzung kommen. Nach einer Vielzahl von Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen im BDB verspüre ich innerhalb des Verbandes eine große Lust diese Herausforderungen aktiv anzugehen. So hat z.B. unsere Bezirksgruppe Bonn‐Rhein‐Sieg gemeinsam mit der Bonner Energie Agentur unlängst einen Workshop zum Strohbau und dem Arbeiten mit Lehm auf Stroh organisiert. Grundsätzlich benötigen wir rückbaubare und recyclingfähige Konstruktionen mit trennbaren Materialien, um Gebäude schadlos in den Energie- und Materialkreislauf zurückzuführen. Hier kann ich meine bisherigen Berührungspunkte mit nachhaltigem Bauen gut einbringen.
Darüber hinaus gewinnt das Bauen im Bestand fortlaufend an Bedeutung. Bestehende Gebäude bieten große Chancen durch entsprechende Anpassungen sowohl energetisch als auch funktional und gestalterisch zu überzeugen.
Klimagerechtes Planen und Bauen aber auch bezahlbarer Wohnungsbau, Digitalisierung und ein fairer Wettbewerb sind zentrale Themen für die wir uns als Verband im Sinne der Interessen unserer Mitglieder einsetzen. Um aber auf die Frage zurückzukommen: Unsere Mitglieder bei der Bewältigung dieser Vielzahl von Aufgaben so gut wie möglich zu unterstützen, das ist mir eine Herzensangelegenheit.
FP: Aufgrund der Materialknappheit, Baukostenexplosion und des Fachkräftemangels steht das Thema Gebäudetyp „E“ in jüngster Zeit im Fokus. Das „E“ steht in diesem Falle für mehrere Begriffe, wie „Experimentell“, „Energiebewusst“ oder “Einfach“. Gerade der letzte Punkt ist einer, den wir ja schon lange im Fokus haben, wenn wir über Bürokratieabbau und Verschlankung des Normenwesen sprechen.
MK: Ja, das Bauordnungswesen ist zu kompliziert, um dringend nötige Reformen herbeiführen zu können. Unsere Nachbarn in den Niederlanden haben unlängst sämtliche Bau-Gesetze auf den Prüfstand gestellt. Das niederländische Baugesetzbuch kommt seit 2010 mit 25 % weniger Regeln aus als früher. Viele Regelungen wurden komplett gestrichen. Weniger Vorschriften führen zu schnelleren Genehmigungen und reduzierten Baukosten. Damit die planenden Berufe ihrer Verantwortung für die gebaute Umwelt gerecht werden können, müssen die dafür nötigen Bedingungen geschaffen werden. Die wichtigen Fragen nach der Standsicherheit, dem Brandschutz, dem Gesundheits- und Umweltschutz müssen selbstverständlich beantwortet werden aber eine Vielzahl von Bauaufgaben wäre mit deutlich weniger Normungen umsetzbar. Derzeit gibt es in Deutschland fast 4.000 Baunormen.
FP: Das betrifft natürlich auch die BauO NRW, die sich in diesem Jahr in der nächsten Novelle befindet. In vielen Kommunen herrscht bei den Bauaufsichten akuter Fachkräftemangel, sodass sich Genehmigungsverfahren massiv verzögern. Von der flächendeckenden Einführung des digitalen Bauantrages sind wir auch Mitte 2023 noch weit entfernt. Was können wir als ArchitektInnen tun, um Genehmigungsprozesse zu unterstützen?
MK: Zum einen können wir die KollegInnenschaft und auch Bauaufsichtsbehörden gemeinsam schulen, damit sie auf Augenhöhe möglichst reibungslose Genehmigungsprozesse generieren können. Da ist der BDB.NRW dran und wird mit der Novelle solche Schulungen anbieten. Zum anderen kommen wir alle besser voran, wenn wir miteinander anstatt übereinander sprechen. Im BDB.NRW ist es gute Tradition, dass Freischaffende und Angestellte, egal auf welcher Seite des Tisches, miteinander auf Augenhöhe sprechen. Dies darf gerne gepflegt und ausgebaut werden.