Rund 90 Architekten, Innenarchitekten, Ingenieure, Sachverständige aus Wiesbaden und Umgebung, Vertreter von Kammern, Behörden, dem Hessischen Ministerium der Finanzen (HMdF), dem Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH), Angehörige von Hochschulen und Weiterbildungszentren und Vertreter diverser Unternehmen waren der Einladung zur Fachexkursion auf die derzeit prominenteste Großbaustelle, dem größten Investitionsvorhaben der Landeshauptstadt Wiesbaden, gefolgt.
Initiatorin und Organisatorin der Veranstaltung, Architektin Bärbel L. Kupfer aus dem Vorstand des BDB-Landesverbandes Hessen, begrüßte die Teilnehmer auf das Herzlichste. Sie tat dies auch im Namen des anwesenden BDB-Landesvorsitzenden, Bauingenieur Gerhard Volk, sowie der Schatzmeisterin des WAZ, Architektin Stefanie Katrin Röll, die in Vertretung für den WAZ-Vorsitzenden, Architekt BDA Peter Bitsch, und seinen Stellvertreter, Architekt und Stadtplaner BDA/BDB Helmut Boerdner, erschienen war.
Nicht minder herzlich hieß sie den Entwurfsverfasser des RMCC Wiesbaden und von der Stadt Wiesbaden beauftragten Architekten BDA Ferdinand Heide willkommen. Als Entwurfsverfasser des Masterplans zur Erweiterung der Goethe-Universität Frankfurt führte er viele der Anwesenden zuletzt 2012 so hervorragend über den Campus Westend.
Da wie Erwarten die Nachfrage nach der Baustellenführung überaus hoch war und möglichst allen Angemeldeten die Teilnahme an der Veranstaltung ermöglicht werden sollte, sagte Architekt Heide spontan zu, die anfänglich auf 40 Personen begrenzte Teilnehmerzahl auf 90 zu erhöhen. Dazu brachte er zwei seiner verantwortlichen Projektleiter, die Architekten Heinrich Großenbach (Rohbau/Ausbau) und Norman Berndt (Ausbau) mit, die Architektin Kupfer ebenfalls herzlich begrüßte.
Gemäß Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung hatte der Frankfurter Architekt Ferdinand Heide am 04.07.13 den Zuschlag im Vergabeverfahren um das Architekturkonzept des Neubaus RMCC Wiesbaden erhalten. Im vorgelagerten Architekturwettbewerb zeichnete das Preisgericht das Architekturbüro Heide am 12.03.13 mit dem vierten Preis aus. 2014 fanden zahlreiche öffentliche Info-Veranstaltungen zur Vor- und Entwurfsplanung statt. Im Juli 2014 startete der Rückbau des bestehenden Gebäudes. Nach dem Baugrubenaushub 2015 wurde der Rohbau des RMCC Wiesbaden 2016/17 erstellt.
Mit einigen Schlagworten aus dem Werbetext des RMCC Wiesbaden „Innovation, ein prachtvoller, multifunktionaler Gebäudekomplex mit einzigartiger Architektur, modernste Medien- und Veranstaltungstechnik, ein zukunftsweisendes Energiekonzept mit Strom aus der Sonne und Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser, ein Leuchtturmprojekt für den Klimaschutz, eines der modernsten Veranstaltungshäuser Deutschlands für ca. 12.500 Personen stellte Frau Kupfer zu Beginn der Führung fest, dass „all dies unendlich neugierig macht“. Sie übergab Herrn Heide das Wort, der die Teilnehmer aufforderte, sich zu einem späteren Zeitpunkt selbst ein Urteil über die genannten Superlative zu bilden.
Die Baustellenbegehung startete vor dem Gebäude mit erstem Stopp im Foyer der Halle 1, vom Architekten auch als Wandelgang bezeichnet. Dort konnten sich die mit festem Schuhwerk und Bauhelmen ausgestatteten Teilnehmer einen ersten Eindruck über das großzügige, bis unter das Dach des 2. Obergeschosses verglaste Foyer verschaffen.
Architekt Heide erläuterte die Fassaden des Kongresscenters, die dem Gebäude trotz der nutzungsbedingten unterschiedlichen Ausrichtung der Hallenteile eine annähernd gleiche, hochwertige und städtische Erscheinung verleihen, aber auch eine zurückhaltende, anmutende Sprache sprechen. Die Glasfassade zitiert mit ihren vorgelagerten Kolonnaden die historischen Stadtbauten in der Nachbarschaft (Kurhaus, Staatstheater, Bowling Green). Die aus hellem Fertigteilbeton hergestellten, modern interpretierten Kurhauskolonnaden werden als Balkon des Foyers verstanden, die von gleicher Reihung und gleichen Schatten leben und Ruhe ausstrahlen. Die im Fassadenbereich einteilig ausgeführten Betonstützen erstrecken sich über die gesamte Höhe. Spielerische Elemente, wie die Löcher im Dach der Kolonnaden, sorgen für ein Licht-Schatten-Spiel. Auch in der Dunkelheit bilden die Kolonnaden einen markanten Punkt im Stadtraum. Für das Foyer wurde eine Beleuchtungssituation konzipiert, die den Blick in den Abendstunden auf die elegante Reihung der Kolonnaden und den dahinter liegenden öffentlichen Raum lenken soll.
Herr Heide führte aus, dass bei der Planung bewusst darauf geachtet wurde, möglichst keine Sonderlösungen zu schaffen, sondern auf geprüfte Standards zurückzugreifen, so wie bspw. bei den Fassaden (Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Dreifachverglasung). Das Glas ist aus Sonnenschutzgründen verspiegelt. Einen natürlichen Sonnenschutz bieten die Kolonnaden. Dort, wo sie unterbrochen sind, wird teilweise außenliegender Sonnenschutz angebracht werden.
Allein schon aus Fluchtgründen sind in der Außenfassade mehrere verglaste Türen vorhanden. Die separaten Eingänge in der Glasfassade und eine eigene Infrastruktur sollen eine parallele, störungsfreie Ausrichtung von Veranstaltungen ermöglichen. Auch ist die Struktur des Foyers mehrschichtig aufgebaut. Eine auf der Ostseite vorgeschaltete „doppelte Wand“ soll die Halle bedienen. In dieser ist alles untergebracht, was zur veranstaltungsbezogenen Andienung der Halle benötigt wird (z. B. eine Cateringstation). Das Foyer der Halle 1 soll als reine Foyerfläche genutzt werden. Demgegenüber sollen die Flächen des großzügig konzipierten und mit Tageslicht durchfluteten Hauptfoyers zusätzlich als Ausstellungs-, Catering-, Empfangs- oder Messeflächen dienen. Insgesamt stehen für Foyerflächen im Gebäude ca. 10.000 m² zur Verfügung.
Zwei frei in das Foyer der Halle 1 eingestellte, einläufige Stahlbetontreppen führen auf die Galerie des ersten Obergeschosses. Auf die Planung von i. d. R. wenig genutzten, lauten und störanfälligen Fahr-/Rolltreppen wurde im Gebäude bewusst verzichtet.
Überwältigend war für die Teilnehmer der Moment beim Betreten der bis zu drei Segmenten teilbaren und bis zu 15 Metern hohen Halle 1 (Nord) im Erdgeschoss. Mit einer Fläche von ca. 4.650 m² ist sie die größte Halle des Gebäudekomplexes. Bestuhlt wird die bereits im Ausbau befindliche Halle Platz für 5.000 Personen bieten, unbestuhlt für 9.000 Menschen. Zudem wird sie künftig mit einer innovativen, mobilen und multifunktionalen Teleskoptribühne (ca. 3.000 gestufte Sitzplätze) ausgestattet sein, die in einer Tasche auf der rückwärtigen Hallenstirnseite untergebracht wird. Auf der gegenüberliegenden Stirnseite der Halle (nördliche Szenenfläche) wird derzeit ein 10 x 5 Meter großes Bühnenpodium errichtet.
Die im Boden ausgebildeten Medienkanäle (Gas, Wasser, Strom) dienen der Versorgung der Halle bei Veranstaltungen (z. B. Messebeschickung).
Die Unterkonstruktionen der Holzwandverkleidungen sind größtenteils montiert. Im gesamten Gebäude sollen hochwertige, helle Materialien zum Einsatz kommen.
Die beiden, zur Hallenteilung erforderlichen, mobilen Trennwände sollen in Kürze montiert werden. Die einzelnen Hallensegmente können dann später auch zeitgleich bei unterschiedlichen Veranstaltungen genutzt werden.
Aus Schallschutzgründen konnte ein Trapezblechdach (Störung umliegende Anwohner) nicht realisiert werden konnte. Eine massive, mächtige Betondecke kam zur Ausführung. Die segmentierten Dachbinder wurden mit Hilfe eines Baukrans (Schwerlastkran nicht erforderlich) auf Hilfsstützen gehoben und montiert. Einsehbare Dächer werden begrünt, das große Dach aufgrund der Traglast hingegen nicht. Technikaufbauten auf den Dachflächen sind gemäß Bebauungsplan nicht gestattet.
Architekt Heide erläuterte, dass das Tageslicht entscheidend zum Wohlbefinden des Menschen beiträgt. So wurden alle Veranstaltungsräume in den neuen Rhein-Main-Hallen mit Tageslicht konzipiert. Auch die Halle 1 verfügt über mehrere Dachoberlichter, durch die Tageslicht ins Halleninnere fällt.
Die offene Unterdecke in Halle 1 beinhaltet alle technischen Einbauten wie bspw. Leuchten, Lüftungsauslässe, Sprinkler, Lautsprecher oder Lasthaken. Mit über 30 Kettenzügen auf dem Servicesteg und der Schienenanlage soll die nördliche stirnseitige Szenenfläche beschickt werden. Die eingebauten Baffels unter der Hallendecke sorgen für eine gute Raumakustik Herr Heide merkte an, dass die alten Rhein-Main-Hallen in akustischer Hinsicht sehr gut waren, diese jedoch von ihrer Größe her nicht mehr ausreichten.
Die Halle kann auch mit LKW befahren werden. Eine direkte Zufahrt in die Halle ist über die in der Außenfassade eingebauten Tore möglich. Zum Schutz der Nachbarn wurde die Ladestraße lärmoptimierend ausgebildet.
Auf die Notwendigkeit eines sorgfältig geplanten und gut funktionierenden Brandschutzes (Brandschutzkonzept), insbesondere bei einem Gebäude dieser Größenordnung, wurde hingewiesen.
Gemäß Information des Wiesbadener Kuriers vom 12.08.17 beträgt das Budget für den Neubau des RMCC Wiesbaden 194 Millionen Euro, wobei sich das Land finanziell nicht am Neubau beteiligt. Zum Verhältnis der Kosten Bau – Technik wurde mitgeteilt, dass die Kosten der Neubaumaßnahme in der Kostengruppe 400 (Bauwerk-Technische Anlagen) mittlerweile die der Kostengruppe 300 (Bauwerk-Baukonstruktionen) eingeholt haben.
Über eine der vorgenannten Foyertreppen in Halle 1 ging es weiter auf die Galerie des ersten Obergeschosses, vorbei an der – so Heide – schönsten Ecke des Gebäudes, der Ecke Friedrich-Ebert-Allee – Rheinstraße, in einen der insgesamt 19 raumhoch verglasten Break-out-Räume. Flexible Trennwände ermöglichen die gewünschte Raumgröße. Insgesamt verfügt das 1. Obergeschoss über 26 Veranstaltungsräume, die größtenteils um den Luftraum der Halle 1 angesiedelt sind. Die Räume sind ca. 60 bis 180 m² groß und ergänzen den Kongress-, Tagungs- oder Messebereich. Sieben kleinere Räumlichkeiten, die sogenannten Logen (nicht vergleichbar mit Theaterlogen), sind innenliegend mit Blick in die Halle 1 angeordnet. Sie verfügen über indirektes Tageslicht und können bspw. für Pressegespräche oder Vorstandstreffen genutzt werden. Bei Bedarf lassen sich die Fenster in den Veranstaltungssaal öffnen oder schließen. Des Weiteren stehen drei Veranstalterbüros und drei große Salons (Konferenzräume) zur Verfügung, die sich über zwei Etagen mit einer Deckenhöhe von ca. sechs Metern erstrecken. Die Räume und Veranstaltungsräume, die im Obergeschoss nach Westen hin angeordnet sind, erhalten einen außen liegenden Sonnenschutz in Form einer Jalousie. Entsprechend ihrer Nutzung sind alle Räume verdunkelbar.
Danach wurde die Führung über die Galerie und die Treppe der Halle 1 in das 2. Obergeschoss fortgesetzt. Vom verglasten Verbindungsgang der Halle 1 zur Halle 2 hin hatten die Exkursionsteilnehmer einen beeindruckenden Blick auf die derzeit im Bau befindliche, öffentliche Durchwegung des Kongresshauses. Diese ist bislang einzigartig in Deutschland und wird in Naturstein ausgeführt. Architekt Heide erläuterte, dass mit dem Übergang zur Adelheidstraße neue öffentliche Wegebeziehungen geschaffen werden und der Stadtraum dadurch erheblich aufgewertet wird. Zudem lässt der öffentliche Durchgang die Hallen mit der Stadt verschmelzen. Auch die vorgelagerten Kolonnaden und die Grünflächen verbinden das Gebäude mit der Stadt. Auf beiden Seiten der öffentlichen Durchwegung, der Friedrich-Ebert-Allee und der Adelheidstraße, ist neben der Treppe ebenerdig ein öffentlicher, dauerhaft zugänglicher Aufzug angeordnet. Mit diesem können die oberen Ebenen des Gebäudes künftig erschlossen werden.
Im zweiten Obergeschoss über der Halle 2 (Süd) liegt der fünffach teilbare, nicht minder beeindruckende Kongresssaal mit 2.400 m². Der helle, zum Grünraum hin orientierte und stirnseitig mit Tageslicht versehene Saal fasst bestuhlt 2.200 Personen. Er führt hinaus auf eine großzügige Dachterrasse. Im 2. OG werden weitere 14 Konferenz- und Gruppenräume mit einer Größe von ca. 30 bis 150 m² realisiert (neun Break-out-Räume, vier Logen mit Blick in die Halle 1 und indirektem Tageslicht, ein Salon zentral in Treppennähe). Die Räume sind teilbar und können parallel genutzt werden. Mobile Trennwände öffnen den Zugang zu den großzügigen Vorzonen. Die beiden Break-out-Räume vor dem Kongresssaal können aufgrund ihrer flexiblen Wandelemente fast vollständig geöffnet und in das Foyer integriert werden.
Vom 2. OG aus gelangten die Gruppe über die Flure und Treppen in das raumhoch verglaste Hauptfoyer der Halle 2 im Erdgeschoss. Die Teilnehmer konnten feststellen, dass dort eine weitere Verbindung von innen nach außen geschaffen wurde bzw. sich das Foyer repräsentativ zum Grünraum hin öffnet. Die Rasenteppiche führen die Herbert-Anlage weiter fort.
Im Erdgeschoss der bereits im Ausbau befindlichen Halle 2 (Süd) endete die Baustellenführung. Die stirnseitig, mit 6 Metern Raumhöhe geschosshoch verglaste Halle verfügt über eine Fläche von 3.000 m². Sie ist in vier Segmente teilbar und bietet in bestuhlter Form Platz für 3.200 Personen. Derzeit wird der Betonboden abgeschliffen – solange, bis der gewünschte Glanzgrad erreicht ist. Auf der Baustelle waren ca. 400 Personen im Einsatz.
Weitere Informationen der Führung sind, dass das Kongresscenter gemäß den öffentlich-rechtlichen Vorschriften bzw. in Abstimmung mit der Bauaufsicht barrierefrei ausgebildet wird. Sowohl ein Leitsystem im Gebäude als auch ein sorgfältig durchdachtes Reinigungskonzept wurden konzipiert. Der Neubau erfüllt die Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV 2014). Eine Flächenausweitung auf dem Grundstück der Rhein-Main-Hallen ist nicht mehr möglich.
Das neue RMCC Wiesbaden ist vom Hauptbahnhof Wiesbaden aus fußläufig in ca. 10 Minuten zu erreichen. Der Anschluss an den ÖPNV ist gut. Zum Flughafen Frankfurt sind es ca. 25 Minuten. Gegenüber dem ursprünglichen Konzept mit zwei Ebenen wird die Tiefgarage aufgrund des schwierigen Baugrundes und der schwierigeren Wasserverhältnisse in Wiesbaden nur eingeschossig ausgeführt. 800 PKW-Stellplätze werden realisiert. Die Tiefgarage wird rund um die Uhr geöffnet sein. Ein entsprechendes Sicherheitskonzept wurde konzipiert. Zahlreiche Fahrradständer im Außenbereich der Halle sollen ausgeführt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) hat das RMCC Wiesbaden bereits vor seiner Fertigstellung mit der Vorzertifizierung in Platin ausgezeichnet.
Am Ende der Baustellenführung dankte Frau Kupfer Herrn Architekten Heide und seinen Projektleitern Großenbach und Berndt sehr herzlich im Namen aller Teilnehmer für den erkenntnisreichen Aufenthalt in Sachen Architektur. Als kleines Dankeschön überreichte sie ihnen ein Weinpräsent des BDB. Frau Röll schloss sich den Dankesworten an und übergab Herrn Heide ein Buchpräsent des WAZ.
Zur Freude aller erklärte sich Herr Heide bereit, den BDB und das WAZ ein zweites Mal durch das RMCC Wiesbaden zu führen, dann vor seiner Fertigstellung resp. Übergabe an den Bauherrn zu Beginn des Eröffnungsjahres 2018.
Bärbel L. Kupfer
M.Sc. Dipl.-Ing. Architektin
BDB-Vorstandsmitglied Landesverband Hessen
Beisitzerin BG Südhessen-Nassau І Darmstadt – Wiesbaden – Frankfurt
Vor dem RheinMain CongressCenter Wiesbaden v.ln.r.: Normann Berndt, Heinrich Großenbach, Ferdinand Heide, Bärbel Kupfer, Gerhard Volk, Stefanie Katrin Röll (Titel-/Gruppenfoto: Christa Beer)
Teilnehmer im Foyer der Halle 1 (Foto: Bärbel L. Kupfer)
Ferdinand Heide (l.) am Ende der Führung im EG der Halle 2 (Foto: Bärbel L. Kupfer)