Unter den derzeitigen wirtschaftlichen Voraussetzungen zeigt sich, welche Bedeutung die freien Berufe für die deutsche und bayerische Wirtschaft haben. Die freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Der freie Beruf erwirtschaftet zudem einen Umsatz von ca. 41,1 Mrd Euro und ist damit für jeden zehnten Euro in Deutschland verantwortlich. (Quelle: IFB Nürnberg). Die hoch qualifizierten Freiberufler:innen helfen, beraten und vertreten neutral und fachlich unabhängig.
Der spürbare Wandel der Industrie hin zur Dienstleistungsgesellschaft ist aktuell kennzeichnend für die deutsche Volkswirtschaft. Dementsprechend hoch ist auch die Zahl der Erwerbstätigen: Mit rund 920.000 in Bayern tätigen und fast 1,65 Mio. gesamten Erwerbstätigen in diesem Bereich nimmt der freie Beruf mit rund drei Viertel der gesamten Erwerbstätigkeit und einer ähnlich hohen Quote der Bruttowertschöpfung eine herausragende Stellung in der bayerischen Wirtschaft ein.
Der Staat kann Vertrauen in die Berufsträger setzen, die mit Ihrer Selbstverwaltung in den freien Berufen ein funktionierendes und bewährtes System besitzen. In der Corona-Krise zeigte sich einmal mehr, dass freiberuflich Tätige eigenverantwortlich handeln können und so auch in der Krise schnell, flexibel und effektiv mit eigenen Maßnahmen handeln und auf die besondere Risikosituationen reagieren. Eine freiberufliche Verantwortung verspricht mehr Erfolg als eine rein marktwirtschaftliche und gewinnorientierte Ausrichtung.
Die Corona-Krise hat auch sehr eindrücklich gezeigt, wie wichtig das Thema Digitalisierung ist. Fast ausschließlich alle Berufszweige der freien Berufe haben in der Corona-Krise durch einen hohen Digitalisierungsgrad Krisensicherheit bewiesen. Der überaus hohe Digitalisierungsgrad hat vor allem in der Bauwirtschaft garantiert, dass die wirtschaftliche Betriebsbereitschaft der Unternehmen, deren Belastbarkeit und Flexibilität, sich als entscheidender Vorteil erwiesen hat. Doch der weitere Ausbau und die Förderung der Digitalisierung müssen weiter umgesetzt werden. Dafür benötigt es eine Digitalisierungsinitiative in allen Berufsständen und die Öffnung des Programms „Digitalbonus Bayern“ auch für die freien Berufe.
Doch die künftigen Forderungen an die Politik aus dem Bereich der freien Berufe zur Energie- und Klimapolitik müssen eine gesamtgesellschaftliche Perspektive und insbesondere ein Umsteuern hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften und zur Gestaltung des ökologischen Wandels beinhalten. Dazu gehört auch die konsequente Weiterverfolgung der bestehenden Ziele zur CO²-Neutralität, zum flächensparenden Bauen oder zur Zirkularität bei Baustoffen und der Bestandsnutzung.
Insbesondere bei der Weiterentwicklung bestehender Stadt-/Siedlungs- und Landschaftsstrukturen sollten Wohn- und Arbeitsformen favorisiert werden, die sich als robust gegenüber dem Klimawandel und Ereignissen wie Pandemien erweisen.
Blickt man zurück auf die Coronajahre, so stellt man fest, dass die Politik die Kompetenzen der Freien Berufe immer noch nicht ausreichend nutzt. So haben die Freien Berufe schon vor den Krisen ein Moratorium, bezogen auf Gesetzgebung, Bürokratie und Rahmenbedingungen für die Freien Berufe, gefordert. Aber die Bürokratiebelastungen nahmen immer mehr zu. In allen Freien Berufen nimmt die Dokumentation viel Zeit in Anspruch, bevor die Berufsträger :innen dann dazu kommen, den Wunsch ihrer Mandant:innen, Patient:innen oder Klient:innen umzusetzen, auf diese einzugehen und sie tatsächlich in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen und sie mit der Dienstleistung zu versorgen. Und dann stellt sich noch die Frage nach der Honorierung.
Man muss auch die Bedeutung der Freien Berufe als Netzwerkstruktur der Daseinsvorsorge in der Stadt und insbesondere auf dem Land sehen. So sei es ein Irrweg, wenn die Politik entscheidet, die großen Bauprojekte des Freistaats Bayern an Generalübernehmer und Generalunternehmer zu vergeben und nicht an eine:n freie:n Architekt:in. Ohne zu überlegen, dass man sich damit Investoren ins Land holt, die im EU- Ausland sitzen. Investoren, die beispielsweise in größere Bauunternehmungen investieren, um daraus möglichst viel Kapital zu ziehen und Berufsträger:innen des Berufsstandes der Bauingenieur:innen und Fachplaner:innen unter Druck setzen, damit sich die Rendite jedes Jahr erhöht.
Auch Interessen wie die Förderung der MINT-Berufe (vorgebracht bei Staatsminister Piazolo) betreffen alle Freien Berufe. Denn Patente für Innovation, Patente für neue Erfindungen werden nicht mehr, wie vor Jahrzehnten üblich, in Deutschland vergeben, sondern irgendwo auf der Welt, weil es in Deutschland zu lange dauert, bis eine Erfindung patentiert wird.
Es ist klarzustellen, dass es nicht um Fremdfinanzierung durch Kreditaufnahme geht. Und auch die Freien Berufe haben Renditeinteressen, das Unternehmen muss auch Gewinn abwerfen. Man muss aber verhindern, dass Fremde mit investiertem Kapital die Berufsstände und Berufsträger:innen der Freien Berufe renditeverpflichten können und dabei alles andere in den Hintergrund tritt.
Der Verband Freier Berufe in Bayern e.V. (VFB), dem 34 Organisationen der Freien Berufe in Bayern angehören, u. a. der BDB Landesverband Bayern, weist auf die Bedeutung des Fremdbesitzverbots für den Verbraucherschutz und die flächendeckende wohnort- und zeitnahe Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen der Daseinsvorsorge hin.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und das Bundesjustizministerium werden gebeten, sich für entsprechende Regelungen im Berufsrecht der verkammerten und nicht verkammerten Freien Berufe stark zu machen, die sicherstellen, dass Fremdinvestoren, die ausschließlich Kapital einbringen, von der Gründung und dem Betrieb von Niederlassungen der Freien Berufe ausgeschlossen werden.
Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit gehören zu den Grundpfeilern freiberuflicher Berufsbilder, welche aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses und der Dienste für Gemeinschaftsgüter substanziell sind und deren Qualität sichern. Wirtschaftliche Interessen dürfen Kundeninteressen nicht vorgehen.
Eigenverantwortliche freiberufliche Dienstleistungen sind von grundsätzlicher Bedeutung für die Wahrung der Grundrechte Einzelner und für Gemeinschaftsgüter, insbesondere in Bereichen der Daseinsvorsorge. Die Entscheidungskompetenz muss, auch unabhängig von Natur oder Rechtsform des Kapitalgebers beziehungsweise der Trägerschaft, stets bei der Berufsträgerin beziehungsweise dem Berufsträger verbleiben und darf weder durch direkte noch indirekte Einflüsse beeinträchtigt werden.
Durch freiberufliche Tätigkeit, die nicht der Maximierung der Kapitalrendite verpflichtet ist, wird eine flächendeckende wohnort- und zeitnahe Versorgung sowie der Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen und Angeboten der Daseinsvorsorge durch Expertinnen und Experten vor Ort auf höchstem Niveau sichergestellt.
Mit ihren in der Regel persönlichen Leistungen entlasten die Freien Berufe den Staat und sind Teil der regionalen und kommunalen Infrastruktur.
Alexander Lyssoudis
Stellv. Landesvorsitzender BDB Bayern
Vizepräsident VFB e. V.